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Plaudern gegen Einsamkeit

In Berlin leben über 3,8 Millionen Menschen, und doch fühlt sich hier jede*r Zehnte einsam. Hält Einsamkeit an, kann sie krank machen. Deshalb setzen jetzt auch Bundesregierung, Städte und Kommune vielerorts auf Gegenmaßnahmen – wie zum Beispiel in Berlin-Weißensee. Hier lädt seit Kurzem eine Plauderbank zu mehr Begegnung und Miteinander ein.
Frauke Rummler

Auf der Suche nach Natur und Entschleunigung ist der Weg um den Weißen See für viele Menschen im Pankower Ortsteil ein fester Anlaufpunkt. Den aufmerksamen Spazierenden ist mit Sicherheit bereits aufgefallen, dass es auf der Südseite des Sees seit November eine Neuheit zu entdecken gibt: eine Bank aus hellem Holz mit dem Schriftzug „Plauderbank“ – schwarze Lettern auf pinkem Untergrund.

Heute, an einem der ersten warmen Tage des Jahres, sitzt hier Frieda. Die 34-Jährige ist eine von derzeit etwa acht ehrenamtlichen Plaudertaschen, die Menschen am Weißen See zum Gespräch einladen. Das Prinzip ist einfach: „Wenn ich mich hier hinsetze, signalisiere ich, dass ich mich unterhalten möchte und offen bin für Austausch.“

Das Konzept „Plauderbank“ entstand 2018 in England unter dem Namen „Chat Bench“. Mittlerweile hat sich dieses Konzept gegen Einsamkeit und soziale Isolation international verbreitet – geplaudert wird heute in Polen, Spanien, Kanada und Australien. Auch in Deutschland wurden Plauderbänke bereits in mehreren Städten und Kommunen aufgestellt.

Einsamkeit trifft Menschen jeden Alters

Einsamkeit kennen laut Einsamkeitsbarometern des BMFSFJ (2024) und der Techniker Krankenkasse (2024) in Deutschland Menschen aller Altersgruppen. Sie bezeichnet ein subjektives, schmerzhaftes Gefühl durch „eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen“. Chronische Einsamkeit macht unglücklich und wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus – sowohl physisch als auch psychisch.

Personen über 75 Jahre sind bundesweit im Durchschnitt am stärksten von Einsamkeit betroffen. Während der Pandemie aber stieg insbesondere die Einsamkeitsbelastung bei jüngeren Menschen und verharrt seitdem auf einem höheren Niveau. Zudem sind Armut, Arbeitslosigkeit, Alleinwohnen sowie Migrations- und Fluchterfahrungen Faktoren, die Einsamkeit häufig verstärken.

Da die Ursachen für Einsamkeit oft vielschichtig sind, gibt es im Wirken gegen Einsamkeit keine pauschale Antwort. Besonders effektiv sind laut beider Einsamkeitsbarometer aber Quellen von Resilienz. Dazu gehören feste soziale Bindungen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Verschiedenste Menschen halten zum Plaudern

Auch hier am Weißen See möchte man plaudernd soziale Teilhabe schaffen. Generell sind die Menschen, die auf der Plauderbank Platz nehmen, unterschiedlich. „Das sind Personen ab mittlerem Alter und verschiedener Herkunft“, berichtet Frieda. So vielfältig sind dann auch die Gesprächsthemen: „Meist starte ich mit etwas Smalltalk darüber, was man so in seinem Leben macht. Oft erzählen die Leute aber auch von sich, was sie beschäftigt. Das sind dann ganz unterschiedliche Dinge.“ Manchmal bleibt ein Gespräch oberflächlich, ab und zu geht es aber auch tiefer – vor allem, wenn man mal fragt, wie es der anderen Person eigentlich gerade geht.

In diesem Moment läuft ein älterer Mann im Sportanzug vorbei und grüßt freundlich. „Hallo, Herr Helmstedt!“, ruft Frieda ihm zu. Der 85-Jährige, erklärt sie, gehe hier täglich ein bis zwei Stunden spazieren, um fit zu bleiben. Die beiden wechseln ein paar Worte. Sie sind sich mittlerweile zu einem festen Kontakt geworden und begegnen sich hier regelmäßig. 

Politik wird gegen Einsamkeit aktiv

Einsamkeit ist kein Anliegen mehr, das einzelne Menschen für sich bewältigen müssen. Denn dass Einsamkeit ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, setzt sich nach und nach auch in der Politik durch. 2023 wurde eine „Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit“ verabschiedet, die mehrere hundert Maßnahmen aus Forschung, Aufklärung sowie Austausch- und Netzwerkarbeit enthält. Gemeinsam mit dem „Kompetenznetzwerk Einsamkeit“ möchte man „das bestehende Wissen zum Thema Einsamkeit bündeln, Wissenslücken schließen und gewonnene Erkenntnisse in die politische und gesellschaftliche Praxis einfließen lassen.“ Das Bezirksamt Reinickendorf stellte 2024 sogar als bundesweit erste Kommune eine Vollzeit-Einsamkeitsbeauftragte ein.

Auch die Plauderbank in Weißensee ist ein vom Bezirk finanziertes Projekt – in Zusammenarbeit mit dem Parkmanagement think SI3, das sich für die Zugänglichkeit und Sicherheit öffentlicher Plätze in Berlin einsetzt. Eine erste Bank dieser Art wurde von dem Träger 2023 bereits im Lichtenberger Fennpfuhlpark eingeweiht.

Plaudern als ein Ehrenamt, das bereichert

Die Plauderbank in Weißensee kommt im Kiez bisher gut. So jedenfalls sei ihr Eindruck, sagt Frieda. Auch für sie selbst ist dieses Ehrenamt hier eine Bereicherung: „Es ist schön zu sehen, wie offen und interessiert die Leute sind. Viele freuen sich, dass es in Weißensee etwas Neues gibt.“ Gern lernt sie verschiedene Menschen kennen, die schon lange in Berlin leben und die vielen Veränderungen im Kiez miterlebt haben.

Ziel sei es, dass die Plauderbank irgendwann zum Selbstläufer wird und Menschen hier jederzeit miteinander ins Gespräch kommen – auch ohne die Anwesenheit der Ehrenamtlichen. Dennoch werden für die Plauderbank in Weißensee weiterhin engagierte, ehrenamtliche Plaudertaschen wie Frieda gesucht!

 

Frauke Rummler
Als Gastautorin für den KARUNA KOMPASS Community Blog gehe ich sozialen Themen und Fragen auf den Grund, die mich in meinem Alltag beschäftigen. Kontakt: frauke.rummler@gmail.com
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